Der nachfolgende Artikel entstand im Dezember 2020 im Zusammenhang mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen im 1. Corona-Pandemie-Jahr.
Weihnachten 2020 steht auf dem Kopf
Wenn wir uns im Förderverein Alte Mühle e.V. über alte Bräuche und Sitten unterhalten, so kommen manchmal heute seltsam anmutende Bräuche zu Tage. So soll früher der Weihnachtsbaum aus Platzgründen in vielen Regionen in Thüringen an der Decke gehangen haben. Umfallen konnte der Baum so nicht – nur herunterfallen. Er war so mehr oder weniger katzensicher und angehängte Leckereien hingen vermutlich etwas länger an den Ästen als heute. Das Anzünden der Beleuchtung war wohl hingegen nicht immer einfach. Gegebenenfalls haben nur noch einige ältere Einwohner Kindheitserinnerungen an diesen Brauch.
Das gemeinsame Schmücken des Baumes in der Vorweihnachtszeit gehört heute bei vielen Haushalten zur Familientradition. Aus Sicht der Kinder ist dies das deutlichste Zeichen, dass die Bescherung nun endlich bald losgeht. Meist als grüne Tanne oder aus Plastik zieren in der kommenden Zeit wieder viele Bäume die Wohnstuben. Am Weihnachtsabend versammelt sich dann die ganze Familie um den prachtvoll geschmückten Baum und tauscht Geschenke aus – hoffentlich dieses Jahr mal die Richtigen. Gutscheine werden wohl 2020 der Renner sein, um 2021 einiges nachholen zu können.
Einen ersten, nicht belegten Hinweis auf einen Christbaum gibt es für das Jahr 1419 in Freiburg. Die lokalen Bäcker hatten damals der Überlieferung zufolge einen Baum mit Früchten, Nüssen und Süßigkeiten behängt. Ursprünglich soll der Weihnachtsbaum in Anlehnung an den Paradiesbaum entstanden sein, der im mittelalterlichen Krippenspiel eine wichtige Bedeutung hatte. Vor etwa 450 Jahren zog der Baum dann in die Wohnzimmer ein. Zu jener Zeit wurden aber zumeist nur Äste bzw. Weihnachtsbüschel oder kleinere Bäume mit einer Höhe von 80 cm oft auch verkehrt herum an der Decke befestigt. Üblich soll aber auch die Befestigung mit dem Stamm nach unten gewesen sein, während sich dann die Spitze an der Decke sanft zur Seite neigte. Der Brauch kann ursprünglich auch symbolisch in der kalten und dunklen Jahreszeit entstanden sein, in der grüne Zweige für das Licht und die Hoffnung in der Dunkelheit des Winters standen. Schon die Römer sollen bereits ihre Häuser zu diesem Zweck beim Jahreswechsel mit Lorbeerzweigen dekoriert haben.
Seit einiger Zeit erfreut sich der sogenannte „upside down christmas tree“ in den USA wieder einer größeren Beliebtheit. Eventuell schwappt auch dieser Trend wieder über den großen Teich zu uns zurück, was auch etwas zur verrückten und durch die Pandemie bedingten stillen Weihnachtszeit passt. Alles wird irgendwie anders werden, als wir uns das vorgestellt hatten – warum dann nicht auch den Weihnachtsbaum auf den Kopf stellen. Der hängende Baum müsste dann allerdings rundum perfekt sein. Alte Traditionen müssen gepflegt werden!
Klaus-Peter Schambach