Die beinahe Zerstörung von Crawinkel - Kriegstagebuch: 9. April 1945
(Aktueller Stand 10.4.2022)
Die Nachrichten über die Entdeckungen im Häftlingslager Ohrdruf erreichten schnell die USA. Bereits am 9. April berichtete die "New York Times" unter der Überschrift "3D Army overruns Reich 'Death Camp'". In dem Bericht wurde beschrieben, was die Soldaten in Ohrdruf vorgefunden hatten. Gleichzeitig berichtete das Blatt über eine erste Aktion der Amerikaner: 28 deutsche Anwohner mussten das Lager besichtigen. Alle behaupteten, dass sie von den Vorgängen im Lager nichts gewusst hätten. Der Bürgermeister und seine Frau nahmen sich nach dem Besuch des Lagers das Leben. Am gleichen Tag berichtete die "Washington Post" vom "Horror Camp" und dem Rundgang der deutschen Anwohner. Seit diesem Tag gab es in der amerikanischen Presse immer wieder Berichte über das Lager. Soldaten besuchten das Lager, möglichst viele Menschen sollten die Verbrechen mit eigenen Augen sehen. (Quelle: mdr) Als Bildanhang sind zwei Zeitungsartikel aus meinem privaten Archiv eingefügt, die zunächst nicht in den Leitartikeln über die Verhältnisse in Ohrdruf berichteten. Daily Express (britische Tages-/Boulevardzeitung) vom 9. April 1945 , Seite 4, „Nazis are taken on torture tour“ sowie Coldwater Daily Reporter (Tageszeitung aus Coldwater, Michigan, USA) vom 9. April 1945, Seite 1 unten, „Discover another Nazi Murder Camp“.
Am 9. April 1945 stießen US-Truppen bis ins Eichsfeld vor, wo das Kriegsende friedlicher verlief. Die meisten Bewohner sehnten sich dem Ende des Krieges entgegen. Heiligenstadt war eine Lazarettstadt. Am frühen Morgen waren auf den Höhen um Heiligenstadt die ersten Panzer zu sehen. Von Eschwege aus waren bereits das Süd- und Obereichsfeld besetzt worden. Das restliche Heiligenstädter Kreisgebiet sollte folgen. Die Bewohner hatten die schweren Kämpfe der Vortage in Struth und Dörna vernommen. Gerüchte kursierten, dass die Amerikaner vorrücken würden, die SS jedoch weiter zum Widerstand aufrufen würde. Gleich mehrere US-Truppen kreuzten sich in der Region. Doch kurz vor Eintreffen der Amerikaner flüchteten die NSDAP-Verantwortlichen. Auch der versammelte Volkssturm vermochte den Angreifern angesichts der militärischen Unterlegenheit nicht viel entgegensetzen. Da im Eichsfeld seit jeher die katholische Kirche stark präsent war, versuchten kirchliche Vertreter und Bürger in vielen Städten und Gemeinden, mit den Amerikanern zu verhandeln. (Quelle: mdr)
Am 9. April wurde in Jena, vier Tage vor dem Einmarsch der US-Bodentruppen, von 16:14 Uhr bis 16:53 Uhr der Saalbahnhof und benachbarte Gebäude angegriffen. Jena war dabei Primärziel von 86 mittelschweren Mittelstreckenbombern vom Typ B-26 „Marauder“ („Plünderer“) der 9. Bomberdivision der 9. US-Luftflotte. 151 Tonnen Sprengbomben wurden abgeworfen. Der Saalbahnhof, das Bahngelände und das vorhandene rollende Material sowie 105 umliegende Gebäude wurden weitgehend zerstört. Es gab 108 Tote. (Quelle: wikipedia)
In der Nacht vom 8. zum 9. April 1945 gab es die ersten Einschüsse in Ilmenau. Am Vormittag des 9. April fuhr ein amerikanischer Panzer auf der Ilmenauer Sturmheide ein. Dieser wurde von einem Sturmgeschütz der Deutschen Wehrmacht, welches auf der Oberpörlitzer Höhe stand, abgeschossen. Daraufhin stand diese Position unter starkem Beschuss der amerikanischen Truppen. In den Nachmittagsstunden wurde Oehrenstock beschossen. Gegen 14 Uhr gab es einen Volltreffer in einer Scheune in der Schulstraße. (Quelle: http://heimatverein.oehrenstock.de/GSchumm.htm)
Zum Zeitpunkt des 9. Aprils 1945 wurde im Thüringer Wald zwischen Oberhof, Tambach-Dietharz und Stutzhaus (Luisenthal) noch heftig gekämpft. Im Bereich des LXXXV. Armeekorps wurde die Front in dem gebirgigen Gelände auf den Waldrand westlich der Linie Crawinkel - Geschwenda - Ilmenau zurückgedrängt. Der linke Flügel des Korps befand sich nunmehr 3 Kilometer nördlich von Großbreitenbach. Die 11. Panzer-Division war zu diesem Zeitpunkt kein geschlossener, voll ausgerüsteter Kampfverband mehr. Sie bestand nur noch aus Resten vieler Einheiten, die aus Neuzusammenstellungen zusammengewürfelt wurden. Es gab keine Reserven mehr und keine Luftunterstützung. In der Nacht vom 8. zum 9. April räumte die 11. Panzer-Division komplett den fast schon eingeschlossenen Teil des Thüringer Waldes westlich der Straße von Ohrdruf über Luisenthal nach Oberhof. Es gelang ihr noch einmal, eine Sicherungslinie auf der Ostkuppe des Rennsteiges aufzubauen. Sie hatte ihren Südflügel am Ostrand des Thüringer Waldes verlängert und kam wieder zu einer geschlossenen, wenn auch dünnen Westfront. Von der Wegscheide zogen sich die letzten Truppen nach Crawinkel zurück. Von nun an war Crawinkel Hauptkampflinie und Teil der Westfront. Der Stab der 11. Panzer-Division wurde aller Wahrscheinlichkeit nach vorher in ein Ausweichquartier in Crawinkel verlagert.
Die 11. Panzer-Division begleitete während des Zweiten Weltkrieges ein Mythos, durch den sie in der Bevölkerung den Spitznamen „Gespensterdivision“ hatte. In den Anfängen meiner Jonastalforschung stieß ich dann auch zwangsläufig auf Aussagen der Einwohner wie „…und da waren plötzlich die Gespenster im Ort gesichtet worden…“ oder „…die Gespensterdivision sicherte den Ort zum Kriegsende“. Dadurch wurde mein Interesse für Heimatgeschichte natürlich nur noch mehr geweckt. Später stellte sich dann heraus, wie die Division zu ihrem Namen während des Frankreichfeldzuges 1940 kam. Die 11. Panzer-Division wurde am 1. August 1940 in der Heimat aufgestellt. Es entstanden die 11. und 14. Panzer-Divisionen aus der geteilten 11. Schützen-Brigade und der geteilten sächsischen 10. Infanteriedivision. Diese 11. Schützen-Brigade war es, die immer wieder unerwartet im Rücken der französischen Front aufgetaucht war.
(Quelle: http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/Panzerdivisionen/11PD.htm)
Der Spitzname wurde ursprünglich vom Feind vergeben. Gefangengenommene französische Offiziere sagten aus, dass ihre Einheit in Flandern vor den Deutschen gelegen hatte, bevor sie über Dünkirchen nach England verschifft und umgehend über den Kanal wieder nach Le Havre gebracht worden waren. Bei Vernon hätten sie wieder Gefechtsberührung mit der 11. Schützen-Brigade gehabt und seien unmittelbar nach Vannes marschiert. Die 11. Brigade ist an Brest vorbei über die Halbinsel Crozon und dann die Küste entlang nach Vannes vorgedrungen. Das war nur einen Tag später als die Franzosen. Der Befragende der französischen Gefangenen sagte später aus: „Die meinten, dass wir doch nie geschlafen haben. Gerade in Flandern und dann in der Bretagne und der Normandie seien wir immer unerwartet wie Geister aufgetaucht. Zum Beispiel: Erst bei Devres (Nähe Calais) gemeldet nach Norden marschierend, seien wir kurze Zeit später wieder westwärts bei Honschoote, Westcappel und Rexpoede aufgetaucht. Von den Engländern schon in Flandern als ‚Phantombrigade‘ bezeichnet, hatten uns die Franzosen ‚brigade fantome‘ genannt. Nach meiner Rückkehr zum Bataillon erwähnte ich nach der Vollzugsmeldung diese Episode gegenüber dem Kommandeur Hauptmann von Usedom. Der meldete dies unverzüglich dem Brigadekommandeur Oberst von Angern, der das dann unverzüglich mit der Bitte um Verleihung des Namens , ‘Gespensterbrigade‘ nach oben weiterreichte. Den Namen erhielten wir dann offiziell einige Zeit später.“
So war es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass sich für den 9. April die Zeugenaussagen zur Gespensterdivision häuften. Im Jägerhaus in Crawinkel quartierte sich die 9. Volkswerferbrigade der 11. Panzerdivision ein. Diese Sondereinheit gehört zu den Werfer- und Nebeleinheiten der Artillerie. Zeugen sagten aus, dass der Kommandeur, General von Wietersheim, seinen Gefechtsstand im Friedrichsanfang hatte. Noch vor Beginn der letzten Kämpfe setzte sich diese Einheit, zum Teil auf Drängen der Bevölkerung, aber schließlich in Richtung Ilmenau ab. Der General war aber Generalleutnant Wend von Wietersheim, der vom 10. August 1944 bis zum 10. April 1945 das Kommando über die 11. Panzer-Division hatte. Reste der 11. Panzer-Division wie z. B. das Panzer-Regiment 15 und andere Teile hatten sich offiziell am 4. Mai 1945 im Bayrischen Wald ergeben. Der Bestand wurde nach der Kapitulation von der 90. US-Infanteriedivision wie folgt zusammengefasst: 336 Offiziere, 8.714 Mannschaften und Unteroffiziere, 155 Motorräder, 120 Kübel- und Schwimmwagen, 700 Lkw, 25 Halbkettenfahrzeuge, 1 Panther, 6 Panzer IV, 15 "Selbstfahrlafetten", 5 Jagdpanzer IV/L70 sowie 43 Geschütze, 16 Flugabwehrkanonen sowie 2 Panzerabwehrkanonen.
Die Feuerwehr im Nachbarort Frankenhain bestand zu dieser Zeit nur aus älteren, kriegsuntauglichen und einigen dienstverpflichteten Männern, die noch zu Hause waren. Auch Frankenhain stand bereits in den vergangenen Tagen unter starkem Artilleriebeschuss. Die Wehrmacht hatte ihre schweren Geschütze hinter dem Sportplatz und im Gisselgrund in Stellung gebracht. Auf der Hirtenwiese im Kiefernbestand hatten Panzer vom Typ Tiger Stellung bezogen. Das Gebiet um Crawinkel und Frankenhain hatte man zum Brückenkopf erklärt. Hier hatten sich Teile der Waffen-SS und der Gespensterdivision festgesetzt. Oberhof war schon einige Tage vorher von den Amerikanern eingenommen worden. In den großen Waldgebieten um Crawinkel und Frankenhain wurde noch erbittert gekämpft. Die Bevölkerung kam nicht zur Ruhe. Am Abend des 9. April lag dann Frankenhain unter ständigem Beschuss zwischen zwei Fronten. Phosphorgranaten wurden in den Ort gefeuert. Der Kühnerthof brannte. Die Feuerwehr musste unter ständigem Artilleriebeschuss löschen. Einige Wasserstellen waren völlig zerstört. Die Kameraden versuchten, Wasser vom Hydranten bei Familie Balzer zu bekommen. Aber durch mehrere Volltreffer und Granatsplitter waren die Schläuche und Gerätschaften schon bald unbrauchbar geworden. So brannten Ställe, Schuppen und eine Glasbläserwerkstatt nieder. Kaum waren die Flammen kleiner geworden, wurde erneut mit Phosphorgranaten geschossen. Diesmal traf es die Triftstrasse. Einige Wohnhäuser und Nebengebäude fingen Feuer. Scheinbar benötigten die Amerikaner diese Feuer, um Richtwerte zu haben und die Ziele vom "Brockenblick" aus besser zu erkennen. Da keine Schläuche mehr zur Verfügung standen, mußten zum Löschen der Brände Eimerketten gebildet werden. Die Häuser der Familien Emil Hiebel und Oswald Riem brannten völlig nieder. Vom Forsthaus brannte der Dachstuhl ab. Viele freiwillige Helfer reihten sich in die Eimerketten ein, um Wasser aus dem Graben über dem Dorf heranzuholen. So konnte wenigstens das Haus der Familie Schlundt vor den Flammen gerettet werden. Erst gegen Morgen wurde es still in Frankenhain, der Gefechtslärm verstummte. Mit Tagesanbruch wurde das Ausmaß dieser Schreckensnacht sichtbar. 11 Einwohner von Frankenhain mußten in dieser Nacht ihr Leben lassen. Sie waren in Luftschutzkellern durch Volltreffer umgekommen. Viele Leute waren obdachlos geworden und hatten ihr Hab und Gut verloren. Die Löscharbeiten gingen unaufhörlich weiter.
(Quelle: http://feuerwehr.frankenhain.de/geschichte.htm)
Am 21. Oktober 1944 titelte der Thüringer Waldbote: „Der Volkssturm in Thüringen wird in aller Kürze stehen“. Für Crawinkel erfüllte sich diese Vorhersage nur zum Teil. Einen Tag vorher wurde am 8. April morgens sieben Uhr der Volkssturm mobilisiert und wenige Stunden später wieder aufgelöst. Nun ging es um das „Sein oder Nichtsein“ von Crawinkel. Im Thüringer Waldboten vom 10. Juli 1944 stand diese Vorhersage schon nach einer Rede von Göbbels vor 200.000 Volksgenossen: „Es geht heute um Sein oder Nichtsein der Nation“. In Crawinkel sah es am 9. April 1945 nicht anders aus als in Frankenhain. Durch Phosphorgranaten wurde das Dorf am Abend zum Flammenmeer. Während des Tages setzten sich die Luft- und Artillerieangriffe fast ununterbrochen fort. In der Bahnhofstraße und der Ohrdrufer Straße wurden weitere Häuser vernichtet. Marianne Ballenberger erinnerte sich: „Am Morgen des 9. Aprils krachte es frühs halb 10 das erste Mal. Es war ein Jagdbomberangriff. Um 13:30 Uhr erfolgte der nächste und wohl Schlimmste. Wir glaubten, was sich bisher im Ort noch lebend bewegt hat, muss nach diesem Bombardement tot sein. Abends wollten die Männer noch mal ins Dorf zurück. Aber es war nicht durchzukommen. Die Artillerie schoss ununterbrochen. In der folgenden Nacht war es im Wald nicht geheuer. Es rollte und grollte und man glaubte, Feuer und Eisen kommt den über den Berg. Der Feind schoss diese Nacht mit Brandgranaten und Crawinkel brannte lichterloh.“
In der Nacht setzten Phosphorgranaten die Erfurter Straße und Teile vom Markt in Brand. Die Häuser in der Großen und Kleinen Schenksgasse brannten ebenso wie die Häuser in der Schulgasse und der oberen Bachstraße. Es gab wenig Hilfe und keine Rettung mehr. Das Feuer lief an den Wänden der Häuser herab. Löschwasser war nicht mehr ausreichend vorhanden. Die Einwohner, die noch im Ort waren, versuchten selbst mit Jauche irgendwie zu löschen. Bei Phosphor sind aber Flüssigkeiten zum Löschen oft kein guter Ratschlag, dass das Feuer dadurch zunächst weiter verteilt wird. Phosphor entzündet sich selbst allein durch den Kontakt mit dem in der Luft enthaltenen Sauerstoff und brennt dann mit einer 1.300 Grad Celsius heißen Flamme unter starker Entwicklung von weißem Rauch (Phosphorpentoxid), der in größeren Mengen gesundheitsschädlich ist. Auch wenn Phosphor durch Wasser ablöschbar ist, kann er sich nach Trocknung immer wieder entzünden. Daher sollte man zum Löschen brennenden Phosphors auf Sand zurückgreifen. Die Brand- und Nebelwirkung von weißem Phosphor wurde bereits im Ersten Weltkrieg entdeckt und waffentechnisch genutzt. Im großen Maßstab wurde weißer Phosphor aber erst im Zweiten Weltkrieg in Brandbomben sowohl von Deutschen und auch den Alliierten genutzt.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Phosphorbombe)
Der Wölfiser Heinz Wassermann erinnerte sich an die Nacht. In Richtung Crawinkel sahen sie ein schauriges Flammenmeer und sie hörten das klägliche Brüllen der Rinder, die in ihren brennenden Ställen angebunden waren und umkamen. Die Häuser und das Vieh mussten die Crawinkler sich selbst überlassen. Viele waren in den Wäldern und im Jonastal. Daher kamen auch am 9. Und 10. April insgesamt „nur“ 6 Einwohner ums Leben. Dies hatten selbst die Amerikaner nach ihrem Einmarsch verwundert.
Ilse Hoyer erinnerte sich. Bei Fritz Ostermann in der Hintergasse brannte der Kohlenstall. Am folgenden Tag ging es weiter. Es brannte vom Spediteur Hugo Kloß an und Fässer mit Kraftstoff knallten hoch. Den Lkw und den Traktor der Spedition hatte die Wehrmacht schon weggenommen. Alle verfügbaren Männer waren bei der Brandbekämpfung eingesetzt. Jetzt musste auch Jauche zum Löschen mit verwendet werden. Nachts gegen 1 Uhr war es dann geschafft und die Brände eingedämmt. Doch kaum eine Stunde Pause, dann brannte bei uns auf dem Markt die ganze Ecke. Sieben Häuser und weitere Nebengebäude standen in Flammen. Kriemhild Wallendorf erlebte die Ereignisse im Alter von 10 Jahren. Ihr Elternhaus in der Erfurter Straße 10 hatte nur einen freistehenden, kleinen Gewölbekeller im Hof. Daher war die Familie während der Angriffe im Keller bei Familie Arno Karnstädt. Als das Elternhaus brannte, kreisten und züngelten die Flamen um das ganze haus herum. Das Feuer lief regelrecht vom Haus quer über die Straße und erfasste die Häuser auf der anderen Straßenseite. Noch am gleichen Tag beschlossen die Eltern zusammen mit der Schwester Irmtraud sowie den Großeltern Friedrich und Tilde Reinhardt nach Luisenthal zu den Großeltern Edmund und Marie Kloß zu flüchten. Weitere Einwohner wie z. B. Marta Kloß mit ihren Kindern Lore und Günter schlossen sich an und so bestand der Flüchtlingszug aus 11 Leuten. Auf einem Handwagen wurde das Nötigste verstaut und seitlich am Handwagen baumelte der damals übliche Nachttopf aus emailliertem Blech. Den brauchten wir für Günter Kloß, der ausgerechnet an diesem 9. April 1945 zwei Jahre alt wurde. Alles Gute zum Geburtstag! Auf dem Waldmüllersweg kamen uns scharenweise deutsche Soldaten und Hitlerjungen entgegen. Die waren entsetzt, dass wir in die entgegengesetzte Richtung zogen. „Ihr lauft doch dem Feind direkt in die Arme!“, sagte einer zu uns. An den Wegrändern lagen tote Soldaten.
Im Jahr 1999 baute ich ein Haus in der Erfurter Straße 10. Bei Ausschachtarbeiten stießen wir auf eine Schicht verbrannter Erde. Der Anblick und der sich plötzlich ausbreitende Geruch trieben meiner Schwieger-Oma Irmtraud Böttner, der Schwester von Kriemhild Wallendorf, augenblicklich Erinnerungen zurück ins Gedächtnis und Tränen in die Augen. Hier an dieser Stelle verbrannte ihr Elternhaus zum Kriegsende. Niemand konnte dies verhindern. Dieses persönliche Erlebnis macht mich bis heute zusätzlich betroffen. Gleichzeitig war Irmtraud aber auch wieder froh, dass ausgerechnet wir hier an gleicher Stelle ein neues Haus errichteten.
Klaus-Peter Schambach
Förderverein Alte Mühle e.V.