Die Steiger Hohle ist heute ein idyllischer, tief in den Felsen des Rotliegenden eingeschnittener Hohlweg. Zur Blütezeit des Fuhrmannswesens war der lange Felseinschnitt allerdings eher ein berühmt-berüchtigter Teil einer der alten Verbindungsstraßen zwischen den Handelsmetropolen Erfurt und Nürnberg. Der Eingang zum Hohlweg befindet sich heute hier. Direkt an der neuen Straße nach Oberhof (L1046) befindet sich ein Wanderparkplatz. In wenigen Minuten sind Sie am Startpunkt.
In unserem Onlineshop finden Sie die Broschüre "Notizen aus der Fuhrmannszeit". Dieses sehr interessante und lesenswerte Heft ist nur über unseren Verein als Sonderausgabe und nicht im Handel erhältlich.
Wer früher von Erfurt in den Süden fahren wollte, hatte drei Möglichkeiten, die 220 km lange Scheidewand des Thüringer Waldes zu überqueren. Aufgrund der Ausdehnung des Thüringer Waldes konnten die engen und steil ansteigenden Handelsstraßen über den Rennsteig nicht ohne große Umwege umgangen werden. Absichtlich hatten wohl viele Ortschaften auch bewusst die Straßen über das Gebirge steil angelegt, um durch Vorspanndienste eine Erwerbsquelle zu schaffen. In Crawinkel selbst wohnten einst nicht nur 70 bis 80 Fuhrleute, die mit ihrem Fuhrwerk bis nach Holland reisten. Es gab zeitweise zusätzlich auch bis zu 40 Pferdebesitzer, die von Anspanndiensten für die Fuhrwerke über den Thüringer Wald lebten.
Die so genannte Waldstraße begann in Erfurt am Brühler Tor und nahm ihren Weg über Ingersleben - Sülzenbrücken - vorbei am Fuße der Wachsenburg zum Tambuchshof - zur alten Fuhrmannskneipe „Zur schönen Aussicht“ auf der Klipper – bis zum Fuße des Gebirges bei Crawinkel. Die Strecke Erfurt - Crawinkel war eine Tagesreise mit dem Fuhrwerk. Ab Friedrichsanfang führte der Weg über die s.g. Kniebreche, den Crawinkler Steiger und die Wegscheide bis zur Crawinkler Ausspanne am Beerberg. Bei schlechten Straßenverhältnissen mussten fast 500 Meter Höhenunterschied bewältigt werden. Die Wegenge „Steiger Hohle“ wurde bislang erstmals 1259 erwähnt in einer Verfügung, dass die Dörfer Crawinkel und Wölfis die Straße über den Crawinkler Steiger bis zur Wegscheide in Ordnung zu halten haben.
Auf der Höhe des oberen Hofes mündete eine Abzweigung in die Waldstraße. Sie führte über den Harzwald, wo sie den Rennsteig am „Dietzel-Geba-Stein“ in einer Höhe von 885 m überquert, sich steil abwärts durch die Zellaer Leube einen Weg bahnt und in einer Gabelung nach Zella St. Blasii und Mehlis teilt. Der s.g. "obere Hof" war ein Benediktiner Kloster, welches später für die Namensgebung von Oberhof verantwortlich scheint. Dazu gab es auch noch einen unteren Hof - vermutlich in Crawinkel. Das ist aber wieder eine ganz andere Geschichte und wird demnächst weiter erzählt.
Eine weitere Geleitsstraße nach Nürnberg führte vom Löber Tor in Erfurt über den Steiger nach Egstädt - Rockhausen - Kirchheim - Marlishausen - über Haina nach Ilmenau - vorbei am Kickelhahn und von dort nach Frauenwald, wo sie hinab nach Schleusingen und weiter nach Nürnberg führte. Wegen des Klosters „Zu den Frauen auf dem Walde“ wurde dieser Weg auch Frauenstraße genannt.
Eine dritte Verkehrslinie über das Gebirge verlief von Erfurt aus über Ichtershausen nach Arnstadt, durch den Plaueschen Grund nach Plaue, Angelroda, Geschwenda, zum ehemaligen Fohlen - und Viehhaus Schmücke und weiter am Mordfleck vorbei hinab nach Goldlauter und Suhl. Auf der Schmücke trafen ebenfalls die Straßen von Frauenwald und Schmiedefeld, von Suhl, Oberhof, Gehlberg und Ilmenau zusammen. Dieser zentrale Verkehrspunkt mitten im Wald war ein lockendes Ziel der Straßenräuber auf die voll beladenen Wagen mit wertvollen Gütern. Vom ehemaligen Raubschloss, der Seifartsburg, dass sich in der Nähe der Schmücke befand, unternahmen die Räuber ihre Raubzüge. Daher benötigte man zusätzliches bewaffnetes Geleit für die Fuhrwerke.
Für die Breiten der alten Handelsstraßen sind schon frühzeitige Bestimmungen bekannt. So sollte ein Fuhrmannswagen dem anderen auf einer Wegbreite von bis zu 16 Fuß (ca. 5 Meter) ausweichen können. In den Augsburger Statuten von 1276 wurde verlangt, dass man neben einem Wagen noch reiten und gehen kann. Bereits die ältesten Gesetze bedrohten auch das Absperren oder Verengen der Straßen mit Strafen. Aber all das war nur Theorie, wenn wie hier ein naturbedingt langer und steiler Hohlweg zum Aufstieg ins Gebirge zum Ausweichen keinen Raum bot. Deshalb galt auf der Strecke die Bestimmung, dass der „Krawinkler Steiger“ bergauf vormittags und bergab aber nur nachmittags befahren werden durfte. Von dieser Einbahnstraßenregelung profitierte Crawinkel immens und die Handelsstraße brachte einen gewissen Wohlstand. Die Fuhrleute nutzten die Wartezeit in Crawinkel um zu speisen, um die Pferde zu versorgen oder auch um Reparaturen an den Fuhrwerken vornehmen zu lassen. So entwickelte sich entlang der Handelsstraße neben Rasthäusern und Ausspannen auch das Handwerk.
Aufgrund der 1440 erteilten sogenannten Zollgerechtigkeit wurde für das Befahren der Handelsstraße von Crawinkel nach Suhl zusätzlich Zoll erhoben. Das Ende der Fuhrmannszeit wurde 1779 mit dem 1. Postwagen von Gotha nach Zella eingeläutet.
Steiger Hohle im Winter 2023
Ein Fuhrmannszug auf dem Weg nach Crawinkel
(Quelle: Notizen aus der Fuhrmannszeit, S. 75, 1. Auflage 2023)
Auf der holprig ausgefahrenen Straße, die vorbei an der Wachsenburg führt, bewegt sich eine lange Wagenkolonne. Die Fuhrleute drängen zur Eile, um noch vor Dunkelheit das Fuhrmannsdorf Crawinkel zu erreichen. Nicht weniger als fünfzehn Gespanne fahren im Geleit. Voraus reitet der Geleitsmann. Alle haben sich erst in der Handelsmetropole Erfurt zusammengerottet. Morgen wollen sie gemeinsam das schwierige Wegstück über den Kamm des Thüringer Waldes zurücklegen. Auch zwei Crawinkler Gespanne befinden sich in der Kolonne. Für sie endet die Fahrt in ihrem Heimatort. Sie waren unterwegs an der norddeutschen Küste. Ihre Ziele waren Hamburg und Bremen. Fast an die tausend Fässchen mit Kienruß haben sie in die Schiffswerten gebracht. Ein heimisches Produkt. Man braucht es im Norden zum Anstrich der Schiffskiele.
Mehrere Wochen sind sie unterwegs gewesen. Ein ungeduldiges Erwarten kommt in ihnen auf, als ihr Weg an der Wachsenburg vorbeiführt. Der Bergfried leuchtet in der Abendsonne und es scheint, als ob er einen Willkommensgruß herüberschickt. Mit ihren Hüten winkend, erwidern die Crawinkler Fuhrleute den Anblick.
Ausgelassene Freude ist es, auf nun das baldige Wiedersehen mit ihren Frauen und Kindern. Man sehnt sich, nach wochenlanger Fahrt durch die Länder, zurück an den heimatlichen Herd. Schon jetzt spürt man vertrauten Boden unter den Füßen. Auch die Pferde scheinen es zu fühlen, denn sie legen sich noch einmal kräftig ins Geschirr.
Schon fast vergessen sind die Strapazen der letzten Wochen. Nun kehren Mann und Ross wohlbehalten von ihrer langen Reise in die Heimat zurück. Doch auch diesmal hat sich die Fahrt gelohnt. Ihre Wagen sind vollbeladen mit Kolonialwaren aller Art. Darunter befinden sich exotische Gewürze, Orangen, Datteln, Feigen, Rosinen, Kaviar und natürlich darf ein Fass Salzheringe nicht fehlen. Auch verschiedene Stoffe chinesischer Seide haben sie noch auftreiben können für die Kirmeskleider der Dorfjungfern.
Da herrscht ganz bestimmt in den nächsten Tagen ein buntes Treiben auf dem Marktplatz vor der Schenke, wenn die mitgebrachten Waren verkam werden. Schnaufend legen sich nun noch einmal die kräftigen Pferde in die Geschirre. Ihre Nüstern schäumen, denn der Weg führt jetzt wieder ein Stück bergan. Die Anfeuerungsrufe der Geschirrhalter und Knechte sowie das Knallen der Peitschen hallen als Echo vom nahen Wald zurück.
Wo am Nordhang des Tambuchs die Kupferstraße nach Ohrdruf und Herrenhof führt, überquert der Wagenzug die Horst und erreicht bald das in einer Mulde liegende Gut Tambuchshof. Von hier aus sieht man die Haardt in westlicher Richtung auslaufen, und dahinter leuchten die roten Dächer von Ohrdruf herauf. Den Abschluss bildet der Kamm des Thüringer Waldes, der von den Höhen bei Ilmenau bis zur Wartburg entlang. Ein paar hundert Schritte vom Domänengut Tambuchshof entfernt erhebt sich die Klipper, eine Anhöhe, mit der bekannten Fuhrmannskneipe. Hier macht der Warenzug zu einer kurzen Rast halt, bevor die Fuhrleute endlich das heutige Tagesziel, Crawinkel, erreichen. Auf dem Wirtshausschild steht nicht ohne Grund > Zur schönen Aussicht < denn hinter der aufregenden Wachsenburg erkennt man bei klarer Sicht am Horizont die Türme der Kirchen von Erfurt.
Der Name Klipper soll angeblich von Klepper herrühren, was so viel bedeutet wie >müdes Pferd<. Eine andere Version besagt, dass die Bezeichnung Klipper von den Klippstecken abgeleitet wurde, die man hier in den Wäldern des Tambuchs holte und bei der Abwärtsfahrt zum Bremsen in die Radspeichen der Karren klemmte. Dabei wurde ein Klipp- Klipp - Geräusch erzeugt. › Vielleicht stimmt auch beides nicht.
Der Tambuch bildet mit seinen alten Eichen, Buchen und Ebereschen, gemischt mit Birken, Fichten und Haselsträuchern, ein fast undurchdringliches Dickicht. Nach dem Tränken der Pferde und einem kräftigen Trunk aus dem mit gutem Ohrdrufer Bier gefüllten Gemäß, eilt man nun doch zum Aufbruch.
Wieder ist der Weg steinig, und tiefe Radspuren erschweren die Fahrt. - Endlich geht es abwärts, und im letzten Abendschein der untergehenden Sonne liegt das Fuhrmannsdorf Crawinkel zu Füßen. Majestätisch ragt der hohe Kirchturm mit seinem großen Kirchenschiff weit über die Dächer der Häuser. Beim Lauten der Abendglocken erreicht die Wagenkolonne den Ortseingang. Schon lange vor dem Eintreffen haben die Einheimischen ausgekundschaftet, dass ein größerer Warenzug nach Crawinkel unterwegs ist. Vom Kirchturm aus hat man es wahrgenommen. Und schon duftet es aus den Herbergen nach Gesottenem und Gebratenem.
Auf den Straßen und Gassen wird es noch einmal lebendig. Den Ankommenden wird ein freundlicher Empfang bereitet, und man hofft im Stillen das Neueste aus der Welt zu erfahren.
Bald sitzen die Blaukittel zufrieden bei einem ergiebigen Mahl an den blank gescheuerten Holztischen der Wirtsstuben. Nachdem ihnen bei Ankunft ein gutes Bier, neubacken Brot, frische Butter, Lüneburger Käse und vom besten Nordhäuser Korn vorgesetzt wird, steht weiter auf dem Speisezettel: ein kräftiges Abendmahl.
Heute kommt keine große Unterhaltung zustande, denn man rollt sich frühzeitig in seine Kotze. Morgen heißt es um vier Uhr aufstehen. Den Fuhrleuten steht eine schwere Wegstrecke bevor - durch die Steiger Hohle - über den Kamm des Thüringer Waldes - hinunter durch die Suhler Leube - ins Frankenland.
Auch hat man nicht vergessen, die nötigen Anspänner für den frühen Morgen zu bestellen, denn bis zur Crawinkeler Ausspanne am Beerberg sind bei den schlechten Straßenverhältnissen fast 500 Meter Höhenunterschied zu bewältigen.