Die ersten Einheiten der amerikanischen Soldaten betraten am Abend des 4. April 1945 das Nordlager auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf und besetzten die Umgebung. Von Befreiung der Häftlinge kann an dieser Stelle im Gegensatz zum Stammlager Buchenwald nur bedingt die Rede sein, weil in Ohrdruf von den deutschen Bewachern meist nur noch erschossene, marschunfähige Häftlinge zurückgelassen wurden. Durch die Amerikaner wurden in Ohrdruf am 7. April 1945 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der Bürgermeister und weitere zivile Personen in den Bereich des Lagers mit Lkws transportiert. Sie sollten sich persönlich ein Bild von dem machen, was sich in ihrer direkten Nachbarschaft und im Namen des deutschen Volkes dort ereignet hatte. Der Bürgermeister und seine Frau nahmen sich kurz darauf das Leben.
Der Großonkel von US Präsident Obama, Herr Charles Payne, gehörte zu den Soldaten, die als erste Einheiten am 4. April 1945 gegen Abend das Nordlager Ohrdruf erreichen. Im Alter von 84 Jahren fand 2008 eine Befragung in Chicago statt und er berichtete, was er Anfang April 1945 in Thüringen erlebte: „Ich kam mit 18 in die Army, das war 1943, und wurde Soldat in der 89. Infanterie Division der 3. Armee, im 355. Regiment, Kompanie K. Wir marschierten im Frühjahr von Frankreich und Luxemburg über den Rhein, durchquerten Deutschland bis nach Eisenach, dann immer auf der Autobahn entlang, bis nach Ohrdruf."
Interviewpartner: „Erinnern Sie sich an die Situation dort? An das Lager? An den 4. April 1945?“
Antwort: „Klar und deutlich. Als wir dort ankamen, wurde immer noch gekämpft. Wir standen unter Artilleriefeuer. Dann kamen wir zu dem Lager mit dem großen, hölzernen Tor und dem Stacheldrahtzaun. Zuvor an jenem Tag hatten die Wachen Gefangene zusammengetrieben und mit Maschinengewehren niedergemäht, nahe am Eingang des Lagers. Sie hielten alle ihre Trinktassen noch in den Händen, so, als ob man sie zum Essen gerufen hätte. Im Lager waren noch mehr Leichen, man hatte ihnen die Kleider ausgezogen und sie aufeinandergestapelt, zu großen Haufen. Sie waren verhungert. Ich hätte mir vorher so etwas nie vorstellen können. Und es gab ja noch so viele Lager.“
(Quelle: Tatort Jonastal – Ermordet für das Führerhauptquartier in Thüringen im Außenkommando S III des KL Buchenwald, Klaus-Peter Schambach, Heinrich Jung Verlagsgesellschaft mbh 2010, S. 31 – 32)
Am 12. April 1945 betrat General Eisenhower, Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte in Europa und spätere Präsident der USA, in Begleitung von General Bradley und General Patton das Nordlager in Ohrdruf. Er war entsetzt. General Bradley schrieb später in seinem Buch „A Soldiers Story“ (Geschichte eines Soldaten):
„Der Geruch des Todes hüllte uns ein, bevor wir noch das Lager betreten hatten. Über dreitausendzweihundert nackte und völlig abgemagerte Leichen waren in tiefe Gruben geworfen worden. Andere lagen auf der Lagerstraße, wo sie zu Boden gefallen waren…Eisenhowers Gesicht wurde bleich als trüge er eine Maske. Patton erbrach sich. Ich war zu aufgewühlt, um zu sprechen, denn hier war der Tod mit einer solchen Entwürdigung verbunden, dass man nur stumm und bestürzt innehalten konnte.“
"We couldn't believe man's inhumanity to man. It just shocked us, literally shocked us to the point we couldn't believe what we saw." - Pvt. Ralph Rush, 89th Infantry Division
Source: http://www.16photographs.com/about.html
"Wir konnten nicht die Unmenschlichkeit gegenüber Menschen verstehen. Es schockierte uns buchstäblich bis zu dem Punkt - wir konnten nicht glauben, was wir gesehen hatten."
- Private Ralph Rush, 89. Infanteriedivision
Fortsetzung folgt.